Jeder, der „DAS“ Griechenland außerhalb von All-Inklusiv Hotelburgen und Clubs kennt und mit offenen Augen begegnet, dem sind sie geläufig.
Die Dorfpfarrer in Griechenland als Pope bezeichnet unterscheiden sich deutlich von dem was wir in deutschsprachigen Ländern unter einem Geistlichen verstehen. Ob wir ihm nun in geselliger Runde im Kafenion begegnen, in der Arbeitssutane am Feld, mit seiner Frau und den Kindern beim Einkauf oder im vollen Ornament bei einem griechischen Kirchweihfest, einer Taufe, einer Hochzeit und eventuell anschließend bei der Hochzeitsfeier, wenn er mal ein Tänzchen mit dem Brautpaar wagt (wie z. B. hier). Für uns ist der Pope irgendwie zum Synonym für die Griechisch Orthodoxe Kirche geworden, dahinter steckt aber sehr viel mehr an Unterschieden zwischen den Kirchen.
Immer wieder wirft sich die Frage auf: Was unterscheidet den die orthodoxe Kirche nun so sehr von den anderen christlichen Kirchen, speziell von der katholischen Kirche, zumal ja beide Kirchen rund tausend Jahre einen gemeinsamen Weg gingen, bis es im Jahr 1054 zum endgültigen Bruch kam.
Sicherlich kann man ein Thema wie dieses nicht ganz emotionslos abhandeln, selbst nicht – wenn man bei keiner christlichen Glaubensgemeinschaft als Mitglied eingetragen ist. Als jemand der keinem der Lager angehört, versuche ich an dieser Stelle eine möglichst objektive und auf Fakten bezogene Darstellung zu präsentieren und auf eigene persönliche Meinungsbilder möglichst zu verzichten. Ich habe mir aber erlaubt, einige im Buch (siehe unten) besonders kirchlich und heiligend anmutende Formulierungen etwas zu versachlichen.
Auf 50 Seiten (+ 2 Seiten Quellennachweise) beschreibt ein Büchlein, das man heute noch an den Literaturständen diverser griechischer Klöster auch auf Deutsch findet, wie man aus Sicht der Orthodoxen Kirche den Begriff „Orthodoxie“ sieht und wie es aus deren Sicht zur Trennung zwischen den christlichen Weltreligionen gekommen ist. Relativ objektiv und verständlich werden die wesentlichen Unterschiede beschrieben, obgleich es natürlich die Sicht aus der orthodoxen Seite ist.
Dieses Buch, oder eher Heft von Petros A. Botsis, verlegt in Athen 1981 trägt den gleichen Titel wie unser Beitrag: „Was ist Orthodoxie?“ – Untertitel: Eine kurze Erläuterung des Wesens der Orthodoxie und der Unterschied zwischen den Kirchen (siehe: Quellennachweis).
Es werden hier neben einer Erläuterung, was die Griechische Kirche unter „Orthodoxie“ allgemein versteht die beiden Hauptgründe dargelegt die zum „Schisma“ (der Trennung der Kirchen) geführt haben. Zusätzlich werden sechs weitere wesentliche Unterschiede angeführt und beschrieben, die einer eventuellen Wiedervereinigung entgegen wirken. Der Einfachheit halber liste ich hier einfach alle Punkte von 1 bis 9 auf und gehe zu jedem dieser Punkte auf die wesentlichen Kernaussagen ein. Wer Lust hat, mehr ins Detail zu gehen, kann sich ja das Heft auch im Original besorgen (oder im Internet nach einer PDF Version suchen, siehe dazu ganz unten).
6) Das Fegefeuer und der Überschuss der guten Werke
Über 8 Seiten hinweg beschreibt das Buch, welches die Grundzüge der Orthodoxie sind. In Wikipedia liest man dazu: Orthodoxie (altgriechisch ὀρθός orthós „richtig“, „geradlinig‘“ und δόξα dóxa „Meinung“, „Glaube“, also „Rechtgläubigkeit“) bezeichnet allgemein eine Interpretation einer Lehre, die sich stark an die ursprüngliche Interpretation hält. Anhänger einer Orthodoxie sehen darin eine notwendige Selbstbehauptung des Denkens gegen Beliebigkeit und Willkür; die jeweiligen Kritiker wenden ein, dass eine orthodoxe Interpretation sich flexiblen Weiterentwicklungen und Anpassungen an veränderte religiöse, politische und kulturelle Verhältnisse verweigert.
Der wesentliche Grundsatz der Orthodoxen Kirchen (den Kirchen byzantinischer Tradition, mit dem Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel als Ehrenoberhaupt) ist: das Festhalten an der trinitätstheologischen Entscheidung des 1. Konzils von Nicaea (325) („homooúsios tô patrí“ „mit dem Vater wesenseins“) in Abgrenzung zu damaligen Abweichlern und das Bekenntnis zum Dogma des Konzils von Chalkedon (451). Erst in der Zeit nach der Reformation ist damit vordergründig das Beharren auf bestimmten traditionellen Lehrmeinungen, Ideologien oder Handlungsweisen gemeint.
Wesentlicher Bezug wird zur Lehre des Heiligen Anastasius, dem Sinaiten, einem der alten Kirchenväter hergestellt, wonach man unter Orthodoxie „die ungefälschte Meinung über Gott und seine Schöpfung, der wahre Begriff von allem, sowie die Ansicht über die Wesen, wie sie sind” meint und darin den „rechter Glauben, rechte Meinung“ versteht und sich in letzter Konsequenz immer wieder auf dieses Bekenntnisses von Christus stützt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“. Wesentlich dabei ist, dass immer „der Dreifaltige Gott“ als der Ursprung der reinen Wahrheit gesehen wird und andere Deutungen kategorisch abgelehnt werden.
Für die Orthodoxe Kirche gilt allgemein, dass jede lokale Kirche sich selbst verwaltet und für ihren Bereich eigenverantwortlich ist. Zu keiner Zeit hat sie einem Bischof eines größeren Bezirks das Recht gewährt, in die inneren Angelegenheiten eines anderen Bereiches einzugreifen. Das einzige, was die Kirche anerkannte, war der so genannte Vorrang („Primat“) der Ehre, was sich darauf bezieht, wo wer sitzen darf und an wen man sich als ersten bei einer Kirchenversammlung wenden sollte.
Im zweiten ökumenischen Konzil (Konstantinopel, 381) wurde festgelegt, dass der Bischof von Konstantinopel „den Ehrenprimat nach dem Bischof von Rom hat, da Konstantinopel das ‘Neue Rom’ ist”. Darunter versteht die Orthodoxe Kirche nur die Vorrangs-Rechte der Ehre, nicht aber die Macht über die übrigen Bischöfe und über die Kirche. In dieser Einstellung schaffte es die Kirche über die ersten acht Jahrhunderte hinweg einigermaßen harmonisch zu bestehen.
Gemäß der Auffassung der römisch-katholischen Kirche verstand man diesen Primat aber mehr und mehr nicht einfach nur als einen Ehrentitel oder Vorsitzvorrang, sondern als einen Vorrang der Macht. Der Papst ernannte sich selbst zum Statthalter Christi auf Erden und beansprucht deshalb, eine für die ganze Kirche geltende Autorität und die Kirchengewalt der gesamten christlichen Welt zu sein. Die Kritik der orthodoxen Kirche am päpstlichen Primat beruht auf der Tatsache, dass so das bisherige synodale System aufgehoben wird. In der Tat entwickelte sich auch das Papsttum in Richtung Machtkonzentration, außerhalb theologischer Fundamente mit Anspruch auf die Weltherrschaft.
Den Anfang für diese Ideen machte Papst Nikolaus L, der „sich zum Herrscher über die ganze Welt“ machte. Bei erster Gelegenheit mischte er sich in die Angelegenheiten der Ost-Kirche ein und ohne irgendein Recht dazu zu haben, setzte den Patriarchen von Konstantinopel Photius in einer Synode (Rom, 863) ab und begann sich mehr und mehr in die Angelegenheiten der Ostkirche einzumischen. Photius reagierte auf dieselbe Weise (unangemessen) und setzte Nikolaus in der Synode in Troyes (867) ab. Dieser Konflikt des Papstes Nikolaus mit dem Patriarchen Photius war der Anfang der Trennung beider Kirchen.
Von katholischer Seite wird dieser Anspruch damit begründet, der „Nachfolger des Apostels Petrus, des Oberhaupts der Apostel” und „Stellvertreter Jesu Christi” zu sein. Dem gegenüber sieht die orthodoxe Kirche einen gravierenden Widerspruch, zumal der Gründer der Religion (Jesus Christus) erklärte: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt” (Joh., 18, 36) und: „Wenn einer ein Erster sein will muss er der Letzte von allen sein” (Mk, 9, 35).
Dem Anspruch der katholischen Kirche, welcher „in der Nachfolge des Apostels Petrus“ begründet wird hält die orthodoxe Kirche unter anderem entgegen:
Wenn der Apostel Petrus wirklich über alle Apostel erhöhte worden wäre, warum führte dann der Apostel Jakobus bei dem Apostolischen Konzil von Jerusalem (zwischen 41 und 49) den Vorsitz und nicht Petrus? Und warum setzte sich die Meinung des Apostels Paulus durch, die selbst Petrus akzeptierte? Außerdem kann man die übermäßigen Privilegien des Bischofs von Rom „als Nachfolger des Petrus“ nicht so richtig verstehen, zumal die Kirche von Rom nicht von Petrus, sondern vom Apostel Paulus gegründet wurde (dessen apostolische Tätigkeit in Rom hinreichend dokumentiert ist). Mit dem Machtanspruch und Primat des Papstes entwickelte sich nach und nach auch der Anspruch auf die Unfehlbarkeit des Papstes, der von der Orthodoxen Kirche ebenfalls rigoros abgelehnt wird (siehe dazu im gesonderten Kapitel „Die Unfehlbarkeit“)
Unter dem Filioque versteht man einen lateinischer Zusatz zum Glaubensbekenntnisses von Nizäa-Konstantinopel, der genau genommen (nur) aus drei Worten besteht, aber neben dem Primat des Papstes der Hauptgrund für die Trennung der beiden Kirchen (katholisch und orthodox) ist. Gemäß den meisten Westkirchen sollte dieser Zusatz, der in der ursprünglichen Fassung von 381 nicht enthalten ist, eine Erklärung über den Hervorgang des Heiligen Geistes darstellen. Diese, auch als „trinitätstheologische Formulierungen“ bekannte Version begann sich in der westlichen Kirche seit dem 5. Jahrhundert mehr und mehr durchzusetzen und genießt seit dem 13. Jahrhundert sogar dogmatischen Rang. Neben der römisch-katholischen Kirche bekennt sich auch die evangelische Kirche zu dieser Version. Die alt-katholischen Kirchen dagegen lehnen den Filioque-Zusatz ab.
Hier zur Veranschaulichung, der Alt-Griechische Urtext mit Übersetzung der Originalversion und die katholische Version mit dem Filioque.
„[…] καὶ εἰς τὸ Πνεῦμα τὸ Ἅγιον,
τὸ κύριον, τὸ ζωοποιόν,
τὸ ἐκ τοῦ Πατρὸς ἐκπορευόμενον […]“
„[…] und an den Heiligen Geist,
den Herrn, den Lebendigmacher,
der aus dem Vater hervorgeht […]“
„[…] und [wir glauben] an den Heiligen Geist,
der Herr ist und lebendig macht,
der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht […]“
Leo III (Papst von 795-816) verweigerte damals eine Änderung des Glaubensbekenntnisses und ließ die ursprüngliche Fassung von 381 ohne den Filioque-Zusatz auf Griechisch und Latein in die Peterskirche eingravieren (persönliche Anmerkung: passend auch zum Thema Unfehlbarkeit).
Nicht unbedingt ein absoluter Trennungsgrund wie das päpstliche Primat und das Filioque, aber einer der herbsten weiteren Kritikpunkte, welche die Orthodoxe Kirche auflistet ist die Unfehlbarkeit des Papstes, die sich mehr und mehr aus dem Primat heraus entwickelte, bis sie beim „Ersten Vatikanischen Konzil“ (1870) als Dogma eingesetzt wurde.
Die Orthodoxe Kirche dagegen kennt nur die Unfehlbarkeit der Kirche. Dieser Glaube besagt, der Heilige Geist werde nicht zulassen, dass die gesamte Kirche sich in Irrlehren verliert, sondern werde einen Weg schaffen, dies zu verhindern. Jedoch ist keine einzelne Person oder Institution automatisch unfehlbar.
Zum Thema des Vatikanischen Konzil von 1870 und der dort getroffenen Entscheidung führen die Orthodoxen ins Treffen. Das Konzil entschied, dass nur der Papst unfehlbar sei. Folglich kann das Konzil selbst Fehler machen. Wie kann also ein Konzil, das hinnimmt, dass es Fehler machen kann, das Urteil fällen, dass der Papst unfehlbar ist? Ist es nicht möglich, dass diese Entscheidung des Konzils falsch ist?
Der katholische Kirchenhistoriker Hubert Wolf unterzieht das Dogma einer historischen Betrachtung und zitiert dabei den Dogmatiker Johannes Evangelist von Kuhn mit der Frage „Ist es möglich, bis zum 18. Juli 1870 etwas für unwahr und von da an für wahr zu halten?“ Er verdeutlicht das Problem an Papst Honorius I., der vom Ökumenischen Konzil von Konstantinopel (680/681) als Häretiker verurteilt wurde.
Wer die Orthodoxe Kirche näher kennt, dem ist sicher ein sehr ausgeprägter „Marien-Kult“ aufgefallen, der sich neben einer Fastenwoche um den 15. August auch in einer überaus gelebten Anbetung manifestiert. Der Orthodoxen Kirche ist aber nie in den Sinn gekommen, zu behaupten: Maria selbst wäre „unbefleckt“ empfangen worden.
Die unbefleckte Empfängnis ist ein Dogma der römisch-katholischen Kirche, demgemäß die Gottesmutter Maria vor jedem Makel der Erbsünde bewahrt wurde. Damit habe Gott Maria vom ersten Augenblick ihres Lebens an vor der Sünde bewahrt, weil sie die Mutter Gottes werden sollte. Diese bezieht sich nicht auf die Empfängnis Jesu, sondern auf die seiner Mutter Maria, die auf natürliche Weise von ihren Eltern Anna und Joachim gezeugt, empfangen und geboren wurde, dabei aber (nach Meinung der katholischen Kirche) von der Erbsünde frei („ohne Makel“) blieb.
Die Orthodoxe Kirche führt ins treffen, dass es einzig eine Bibelstelle gibt, in der der Erzengel sagt: „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten“ (Luk. 1 35) und hier aber keinerlei Ansatz abgeleitet werde kann, welcher die Lehre der katholischen Kirche rechtfertigen würde.
Erstmals erklärte das Konzil von Basel am 17. September 1439, dass durch einen besonderen Akt der Prävention Maria niemals von der Erbsünde befleckt wurde. 1477 führte Papst Sixtus IV. das Hochfest in Rom ein. 1708 wurde das Fest als Mariä Empfängnis durch Clemens XI. für die ganze katholische Kirche vorgeschrieben. Papst Pius IX. schließlich verkündete am 8. Dezember 1854 das Dogma von der unbefleckten Empfängnis Mariens.
Den bei den Katholiken am 8. Dezember gefeierten Marienfeiertag sucht man bei den Orthodoxen vergeblich.
Bei all diesen eher krampfhaften Versuchen der katholischen Kirche die „Gottesmutter“ aus dem Schussfeld der Erbsünde heraus zu halten zeigt sich auch das latente (bis oft offensichtliche) Problem dieser Kirche mit der Sexualität, die in vielen Fällen mehr oder weniger der Erbsünde gleichgesetzt wird. Mit dem Aufstieg der Biologie und Darwins grundlegendem Werk über die Evolution (1859) wurde es für die Kirche immer schwieriger den Glauben an Wunder aufrecht zu erhalten und eines davon ist auch die „unbefleckte Empfängnis“, die rational denkenden Menschen kaum zu vermitteln ist.
Uta Ranke-Heinemann (die Tochter des ehemaligen deutschen Bundespräsidenten Gustav Heinemann) sagt in einem Beitrag in der „Welt am Sonntag“ vom 22.12.2013 zum Thema „Wie kam Jesus auf die Welt“ sehr treffend:
Die unbefleckte Empfängnis (von Erbsünde unbefleckt), bezieht sich auf den Eheverkehr von Marias Eltern Joachim und Anna, während die Jungfrauengeburt sich auf Maria als Mutter Jesu bezieht. Jesus hatte keinen leiblichen Vater, sondern der Hl. Geist war sein Vater. Ich bin für die unbefleckte Empfängnis für uns alle, nicht nur für Maria. Dagegen tue ich mich als Mutter von zwei Kindern sehr schwer, an eine Jungfrauengeburt zu glauben. Selbst Papst Benedikt schien die Jungfrauengeburt nicht mehr ganz geheuer, so führt er in seinem Buch “Jesus von Nazareth” 2012 S. 46 aus, dass Maria “durch ihr Ohr” schwanger wurde: “Mir geschehe nach Deinem Wort.” Dieser Durchbruch in der Sexualforschung zeigt nur, welche Auswirkungen der Zölibat auf eine rein männliche Priesterkaste hat. Gott, der die Naturgesetze schuf, hat es so gewollt, dass der Mensch durch den Geschlechtsverkehr seiner Eltern empfangen wird. Im Weltkatechismus 1992 Nr. 1237 steht, dass alle Kinder außer Maria im Mutterleib vom Teufel besessen sind und erst durch die Taufe vom Teufelskind zum Gotteskind werden (Nr. 1243). Die Kirche sollte, statt frauen- und sexualfeindliche Dogmen zu verkünden, lieber Jesu Botschaft der Liebe verbreiten.
Zum Thema Zölibat ergänzend: In den orthodoxen Kirchen werden überwiegend verheiratete Männer zu Diakonen und Priestern geweiht, der Zölibat ist die Ausnahme. Nach der Weihe kann jedoch ein Priester nicht geschieden werden, ohne sein Amt zu verlieren; auch wenn er Witwer wird, kann er kein zweites Mal heiraten. Bischöfe gehören in der Regel dem Mönchsstand an, leben also ehelos. Die orthodoxen Kirchen unterscheiden zwischen „weißer“ Geistlichkeit (verheiratete Gemeindepriester) und „schwarzer“ Geistlichkeit (ehelos lebende Nonnen, Mönche und Bischöfe).
Das Fegefeuer und der Überschuss der guten Werke
Ein weiteres Reizthema für die Orthodoxe Kirche ist eine neue Lehre der Katholiken, dass die guten Werke der Muttergottes und der Heiligen mehr sind, als diese benötigten, um gerettet zu werden und folglich die überschüssigen Werke für die Vergebung der Sünden an anderer Menschen vermarktet werden können. Die Verwaltung dieser guten Werke steht natürlich dem Papst persönlich zu, der zahlreiche Möglichkeiten erfand wie man mit der Ausübung dieses angeblichen Rechtes gutes Geld machen kann kann. Dazu gehört auch die anteilmäßig Verteilung an den übrigen höheren Klerus. Demnach gilt: “Der Papst hat die absolute Vollmacht über die Sündenvergebung durch das Ausstellen von Ablässen. Jeder Bischof hat das Recht, in seiner Diözese Ablässe von 50 Tagen zu erteilen, die Erzbischöfe Ablässe von 100 Tagen und die Kardinale Ablässe von 200 Tagen. Hoch lebe die Wirtschaft.
Die Orthodoxen setzten dem entgegen, dass gemäß Evangelium „jeder Mensch «für das, was er während des Lebens vollbrachte, sei es gut oder böse»“ (2. Kor, 5, 10) gerichtet werde“.
Dem orthodoxen Glauben und der Heiligen Schrift genauso entgegengesetzt ist der Glaubenssatz vom Fegefeuer, in das die Seelen, die gesündigt haben oder nicht mehr zur Reue gekommen sind, gelangen und wo sie kürzere oder längere Zeit bleiben müssen, der Anzahl und der Schwere ihrer Sünden entsprechend.
Die Orthodoxen halten dem entgegen, dass gemäß der Bibel „nur von ewiger Hölle, die Sünder und Unbekehrte erwartet und vom ewigen Leben, das die Gerechten und reumütig Umgekehrten erwartet“ gesprochen wird. Für eine Zwischenzeit, in der jede Seele selbst von Sünden, die sie nicht bereut hat, gereinigt und gerettet wird gibt es keinen Nachweis in der Schrift.
Nur Eines erkennt die (orthodoxe) Kirche als wahr an: Bis zur allgemeinen Auferstehung der Toten und ihrer endgültigen Unterbringung am Jüngsten Tage befinden sich sowohl die Sünder als auch die Gerechten in einem Zustand der Erwartung, in dem sie von den Qualen der Hölle, oder den Freuden des Paradieses einen Vorgeschmack genießen, je nachdem, ob sie gute oder schlechte Werke vollbracht haben, gemäß den Worten des Apostels Paulus: “Und diese alle haben, obgleich sie durch den Glauben ein gutes Zeugnis empfingen, doch nicht die Verheißung davongetragen, weil Gott für uns etwas Besseres in Aussicht genommen hatte; sie sollten eben nicht ohne uns zur Vollendung gelangen” (Hebr. 11, 39-40).
Zu diesem Thema gibt es mehrere Meinungsunterschiede der Kirchen, die damit beginnen, dass nach mehr als tausend Jahren der (gemeinsamen) kirchlichen Praxis bei der gesäuertes Brot verwendet wurden, die katholische Kirche auf ungesäuertes Brot umschwenkte.
Der zweite und gravierendste Schmerzpunkt für die Orthodoxen ist die Behauptung der Katholiken, dass die Wandlung der Opfergaben (Brot und Wein) durch bloßes aussprechen der Formel “Nehmet hin und esset alle davon: Das ist Mein Leib” und “Trinket alle daraus: Das ist der Kelch meines Blutes” (Matth. 26, 26 und 28) vollzogen werde. Gemäß Auffassung der Orthodoxen geschieht das seit den Anfangszeiten mit dem Aufruf des Heiligen Geistes und nicht durch eine gesprochene Zauberformel.
Ein weiterer Kritikpunkt zum Thema Eucharistie ist der Vorwurf der Orthodoxen, dass die römische Kirche die Laien auch jahrelang von dem Heiligen Kelch ausgeschlossen hat und durch die Hostie ersetzte, trotz des Gebots des Herrn: “Trinket alle daraus” und trotz der Tatsache, dass die frühe Kirche diesem Gebot allgemein gehorchte.
Bei der Taufe, wird der römisch katholischen Kirche angelastet, dass sie die alten Rituale des drei maligen Untertauchen abgeschafft hat (was in der geänderten Form dann auch von anderen christlichen Kirchen übernommen wurde). Es wird ins Treffen geführt, dass der Begriff Taufe auf Griechisch «βάπτισμα» bedeutet und vom Verb «βαπτίζω» kommt, was so viel wie „untertauchen“ bedeutet. Dabei wird ins Treffen geführt, dass selbst der Papst Pelagius II (Pontifikat: 579 – 590) das dreimalige Untertauchen als „ein Gebot des Herren“ bezeichnetet, die in einer Aussage von Apostel Paulus aus Röm. 6, 3-4 wurzeln soll.
Die Orthodoxe Kirche sieht im dreimaligen Untertauchen symbolisiert den dreitägigen Verbleib von Jesus im Grab und seiner Auferstehung. Demnach sollen auch die Täuflinge drei Mal in das Wasser getaucht werden um aus der Sünde als neue Menschen zu erstehen.
Die Orthodoxe Kirche hält hier strikt an den apostolischen Überlieferungen und den Festlegungen der sieben Ökumenischen Konzile fest. Dabei wird die Aufforderung im 243. Brief des Hl. Blasius des Großen, erwähnt der dazu mahnt für das unveränderliche gemeinsame Bekenntnis und den kostbaren Schatz des gesunden Glaubens zu streiten.
Der letzte wesentliche Streitpunkt in der Liste ist die Verlegung der Firmung auf einen deutlich späteren Zeitpunkt durch die Katholische Kirche. Von Orthodoxer Seite wird dieser Schritt in einer rationalistischen Denkweise in der Katholischen Kirche gesehen.
Gemäß Sicht der Orthodoxen Kirche halte man sich an die Vorgehensweise der Apostel, die gleich im Anschluss an die Taufe auch die Firmung (die Gaben des Heiligen Geistes) spendeten.
Die römisch katholische Kirche verlegte die Firmung seit der Zeit des Konzils von Triest (1545 – 1563) auf viele Jahre später, weil sie in ihrer (rationalen) Denkweise nach glaube, dass das Kind in ein alter kommen müsse, in dem es vernünftig denken kann, um gefirmt zu werden.
In der weiteren Folge werden im Buch, das als Quelle für diesen Beitrag diente einige Voraussetzungen beschrieben, die erfüllt sein müssten, dass es zu einer Wiedervereinigung der Kirchen kommen könnte. Zumal es sich zwangsläufig um sehr hypothetische Ansätze handelt, möchte ich hier nicht näher darauf eingehen. Wer will kann sich ja das Buch (oder das PDF) besorgen und dort nachlesen.
Das Original-Buch (Heft) auf das hier Bezug genommen wird befindet sich in meiner Sammlung für griechische Literatur als Buch 156.
Alle Bilder in diesem Beitrag stammen aus eigenen Quellen (für größere Darstellung bitte auf das jeweilige Bild klicken).
Bild 1: Pope anlässlich einer Hochzeit in Argos (Ιερός Ναός Αγίου Νικολάου) Februar 2016
Bild 2: Fahne Griechenlands und der Griechisch Orthodoxen Kirche (Ιερά Μονή Παναγιάς Κατακεκρυμμένης, Άργος)
Bild 3: Der Abt des Klosters Panormitis auf Symi blickt einige Tage vor dem Kirchweih-Fest auf den anlässlich einer Renovierung noch bis oben eingerüsteten Glockenturm.
Bild 4: Marien-Ikone im eigenen Besitz, gekauft 1993 im Andenkengeschäft beim Kloster Panormitis (stammend aus den Ikonen Mal-Werkstätten auf Athos als Nachbildung einer alten Ikone)
Bild 5: Dorf-Pope von Pedi auf Symi als Motor-Mechaniker seines Bootes
Bild 6 bis 8: Der Abt von Panormitis auf Symi (September 1991, Ostern und Mai 1992)
Hinweis zur PDF Version als Download: Es gibt zumindest eine Version, die man als PDF Datei finden kann. Soweit ich feststellen konnte unterscheidet sich diese Datei allerdings an einigen Stellen geringfügig von der gedruckten Version. Zumal es in dieser Datei auch keine Angabe bezüglich der rechtlichen Situation gibt, das Original aber den Copyright Vermerk: „Petros A. Botsis – 2. Pellis Str. Frangocclesia. Atika“ trägt, möchte ich den Link hier nicht veröffentlichen. Es kann aber jeder selbst Google bemühen und nach einer Datei namens: „Was ist Orthodoxie-PETROS A. BOTSIS(Eine kurze Erläuterung des Wesens der Orthodoxie und der Unterschiede zwischen den Kirchen).pdf“ suchen.
© Hans Gsottbauer, August 2016