Ein gewisser HC S****** macht auf Facebook einen Sager und (fast) alle applaudieren, weil die Aussage so schön in das eigene „heile“ Bild der (Stammtisch-)Umwelt passt. Das Problem nur, mit etwas Einsatz der eigenen Gehirn-Spiralen (und Hinterfragung mit belegbaren Fakten) könnte man sehr schnell selbst darauf kommen, dass es sich um Wirtshaus-Parolen mit verdrehten oder völlig falschen Inhalten handelt.
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Analysieren wir diese kurze Aussage:
Im Beispiel: „Ich war nicht mal ein 10tel Wert. Aber man konnte sich 3x so viel kaufen!!!!“ *)
Mathematisch korrekt würde diese Aussage bedeuten: ca. 1/10 Wert und 3x so viel kaufen können = 30 fache Kaufkraft gegenüber heute – ich schätze aber, so war es nun doch nicht gemeint.
*) zum Thema “inflationäre Verwendung von Satzzeichen” siehe den Beitrag “Total überzeichnet” von Süddeutsche Zeitung Magazin.
Nicht einmal ein Zehntel wert: ist insofern falsch weil eben ATS 100,00 mit dem 1999 festgelegten Umrechnungsfaktor von 13,7603 einen Betrag von € 7,27 wert waren. Zum Zeitpunkt der Umrechnung hat man für beide Werte genau so viel bekommen, also hatten beide Beträge den gleichen Wert. Genauso könnte man auch sagen die italische Lira war nur fast 2000tel Wert, aber …
Die Frage ist, was in dieser Aussage unter dem Begriff „Wert“ verstanden wird, denn „Wert“ ist im Regelfall das, was man dafür bekommt — man kann aber, wenn es gerade ins Bild passt die Begriffe „Wert“ und „Wechselkurs“ schon mal verwechseln und bei einigen Bierchen fällt das auch gar nicht auf.
Beim Begriff „Werte“ gibt es bei manchen Zeitgenossen eben gewisse (manchmal sehr weit gehende) Auffassungsunterschiede.
Aber man konnte sich 3x so viel kaufen: für einzelne Produkte mag das auch stimmen, aber was zählt, das ist der typische Einkaufskorb über das Jahr gerechnet und da spricht die Statistik eine ganz andere Sprache. Betrachtet man den ältesten vernünftig anwendbaren **) Warenkorb, den „Verbraucherpreisindex 66“, dann sind die Preise von 1966 bis 2015 um 498,5 %, das fast 5 fache gestiegen. Für uns von Bedeutung ist der Zeitraum seit der Einführung des Euros (1999 mit der Festlegung des Wechselkurses) bis jetzt. In diesem Zeitraum (1999 bis 2015) sind die Preise um 35,91 % (2,24 % pro Jahr) gestiegen. Das ist das 0,36 fache, aber nicht um das 3 fache, wie S****** behauptet. Nicht viel anders, nämlich mit 35,90 % geht übrigens die Rechnung mit dem aktuelleren „Verbraucherpreisindex 96“ aus. Die noch neueren Indizes sind nicht anwendbar, weil dort das Jahr 1999 nicht mehr vorkommt.
Betrachten wir aber im Vergleich die 16 Jahre (1983 bis 1999) vor der Einführung des Euro, dann sind die Preise um 49,11 % für diesen Zeitraum gestiegen. Wer lieber den Zeitraum von 1984 auf 2000 rechnen möchte (weil es alleine von 1983 auf 1984 eine Preissteigerung von 5,69 % gab), da kommt immer noch 44,39 % und damit wesentlich mehr als für den gleichen Zeitraum nach der Einführung des Euros heraus! Wer die Daten lieber selbst nachrechnen möchte kann sich gerne die offiziellen Indexdaten bei z. B. der „Wirtschaftskammer Österreich“ herunter laden.
**) Verfügbar wären auch die Indexzahlen aus 1958, 1945 und 1938, nur läuft hier der Warenkorb von den heutigen Vorstellungen schon viel zu weit auseinander.
Nun kommt natürlich das Argument, ja aber der Verdienst hat nicht mitgehalten. Dieses Argument ist nicht ganz ungerechtfertigt, denn wenn man die bei „Statistik Austria“ verfügbaren Tabellen analysiert (hier gibt es eine Tabelle „Nettojahreseinkommen der unselbständig Erwerbstätigen 1997 bis 2013“, die sich ebenfalls auf einen Zeitraum von 16 Jahren erstreckt), dann kommt man zum Ergebnis, das die Löhne der Unselbständigen im Zeitraum von 16 Jahren um 31,97 % gestiegen sind, also um 3,94 % (0,25 % pro Jahr) weniger als die Preise. Nun stellt sich aber wirklich die Frage wie aus 3,94 % in 16 Jahren (= 0,0394) das 3 fache wird? Irgendjemand wird das sicher erklären können, aber bitte mit belegbaren und der Allgemeinheit zur Verfügung stehenden Fakten!
Wenn man nicht Verantwortung dafür übernehmen muss, ist natürlich schnell einmal etwas gesagt, was das wählende Volk gerne hört (und es gibt leider viel zu viele Mitbürger, die Artikel in Krone, Täglich Alles, Bildzeitung und Aussagen mancher Politiker ungeprüft Glauben schenken). Wie das ausgehen kann, wenn man doch einmal Verantwortung übernehmen muss, das hat uns ein südlich gelegenes Bundesland andeutungsweise gezeigt. Was in diesem Zusammenhang eine gewisse Bank betrifft, das siehe auch hier (aber natürlich auch nicht alles auf die Politik abwälzbar).
Was ich von Personen des öffentlichen Lebens erwarte (und Politiker gehören hier dazu, zumindest wenn ich sie ernst nehmen soll), das sind Aussagen, die für einen Normalsterblichen nachprüfbar sind. Eine Behauptung, die krass vom allgemeinen Bild abweicht erfordert einen verbindlichen Quellennachweis und der sollte nicht gerade aus einem Boulevardblatt stammen.
Sorbas 20150717